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Der Ursprung des Schützenwesens

Die ersten glaubwürdigen Nachrichten über Schützengesellschaften tauchen gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Flandern auf. Schießübungen sind sehr viel älter, Pfeil und Bogen waren schon in der Frühzeit bekannt. Über die nördlichen Niederlande verbreiteten sich die Schützengesellschaften bis ins Rheinland, wo sie um 1400 erstmals in Deutschland auftraten. Auch am Niederrhein gründeten sich die ersten Schützengilden oder -bruderschaften.

Nach mittelalterlichem Sprachgebrauch leitet sich das Wort "Schütze" von "schießen" ab, es erfüllt aber auch den Sinn des Beschützen und Behüten. Um ihrem hohen Ziele der Erhaltung der Stadt durch Beschützen und Verteidigen stets gerecht werden zu können, hielten die Schützengesellschaften Schießübungen ab. Die veranstalteten Schießspiele waren für das Mittelalter Sportfest und Volksfest zugleich. Neben der Übung an der Waffe bezweckten sie auch die Pflege kameradschaftlichen Sinnes und geselliger Freuden. Nicht selten wurden auch andere Wettspiele damit verbunden: Steinstoßen, Springen, Laufen usw. und Vergnügungen wie Hahnenkampf und dergleichen.
Die Schützengesellschaften als freiwillige Zusammenschlüsse leisteten den wichtigen Beitrag, die Bevölkerung im Umgang mit der Waffe zu schulen und sie wehrfähig zu erhalten. Sie vermittelten
Schießfertigkeiten an der schwierig zu führenden Armbrust, die neben Pfeil und Bogen die Hauptwaffe der Schützen war. Die Schützenaufgaben wurden somit zu einem bedeutenden Faktor in der
Stadtverteidigung. Erst mit dem Aufkommen der Feuerwaffen wurde die Armbrust im Laufe des 16. Jahrhunderts immer mehr von der handlichen Büchse verdrängt.

Der Landesherr stand den Schützengesellschaften wohlwollend gegenüber. Er genehmigte ihre Schützenordnung und förderte die Gesellschaft bei zahlreichen Gelegenheiten, u.a. auch durch finanzielle Zuwendungen. Dem Schützenkönig wurden besondere Privilegien zuteil wie die Befreiung von Wach- und Spanndiensten. Mit dem Aufkommen des Söldnerwesens im 16. Jahrhundert trat die Aufgabe der Wehrertüchtigung in den Schützengesellschaften in den Hintergrund. Bis in die Gegenwart hinein aber besteht die nun rein sportliche Freude an Waffenübungen in den Schützengesellschaften.

Im christlichen Gemeinwesen hatten diese Gruppen zwei grundverschiedene Wurzeln, die heute häufig nicht mehr bewusst sind: Wenn bei Schützenfesten auffällt, das "Schützenbruderschaften" und
"Schützengesellschaften" ohne äußere Unterscheidung in Erscheinung treten, so liegen dem tiefe geschichtliche Wurzeln zugrunde. Die Bruderschaften hatten von ihrem Ursprung her mit dem
Schützenwesen im heutigen Sinne wenig zu tun. Im christlichen Abendland war es durch das Mittelalter hindurch eine vornehmliche Aufgabe der Kirchen, der Klöster und der Bruderschaften, Mildtätigkeit gegenüber Witwen, Waisen und Invaliden zu üben. Diese Gebets- und Caritasbruderschaften entwickelten relativ spät eine Schützentradition, die zunächst vorwiegend die Durchführung von Bruderschaftsfesten und später den Vogelschuss in Verbindung mit diesen Festen zum Inhalt hatte. Solche Entwicklungen sind in den Städten bereits im 15. und auf dem Lande im 18. und 19. Jahrhundert nachweisbar, wo sich viele Bruderschaften von ihren ursprünglichen Wurzeln und der christlichen Mildtätigkeit lösten Ganz anders dagegen verlief die Entwicklung der Schützengilden und -gesellschaften. Das Gildewesen hatte in den Städten ständischen Charakter, während es auf dem Lande von der Gemeinschaft der freien Bauern getragen wurde. Tatsächlich hatten früher diese Gilden und Gesellschaften die Aufgabe, die wehrfähigen Bürger mit dem Gebrauch der Schusswaffen vertraut zu machen. Deshalb fanden an Sonn- und Feiertagen Schiessübungen statt, damals allerdings noch mit Bogen und Armbrust.

Von jeher waren Dorfleute und Bauern verpflichtet, in unruhigen Zeiten Aufgaben im wehrhaften Bereich wahrzunehmen, um ihr Dorf oder außerhalb des Dorfes liegende Bauernhöfe zu schützen. Diese rein weltlichen Schützengilden verbanden sich - der damaligen Auffassung entsprechend - sehr häufig mit den Gebetsbruderschaften, die als religiöse Vereinigungen eine christliche Lebensführung anstrebten. Aus dieser Verschmelzung von geistlichen Bruderschaften und weltlichen Gilden entstanden die Schützenbruderschaften. Ihre Satzungen enthielten folglich neben den Zielen der Waffenübungen und geselligen Zusammenkünften durch die Verbindung mit den kirchlichen Bruderschaften auch karitative und religiöse Verpflichtungen. Zu den besonderen Pflichten im religiösen Bereich gehörte die Teilnahme an Messen und Prozessionen. Im 15. J ahrhundert wurden am Niederrhein Schützengesellschaften namentlich mit dem hl. Sebastianus, dem hl. Johannes, dem hl. Fabianus oder dem hl. Antonius als Patron gegründet.

Mit dem Ende des 15. Jahrhunderts begann für den ganzen Niederrhein eine Zeit fast ununterbrochener Kämpfe und Unruhen. Von 1500 - 1762 lassen sich kaum 50 Jahre herausnehmen, in denen die am unteren Niederrhein gelegenen Orte nicht von fremden Heerscharen heimgesucht oder wenigstens bedroht waren. Wohlstand und Bevölkerungszahl gingen dabei ständig zurück. Besonders die flachen Ebenen wurden in steter Unsicherheit gehalten. Die Unterbringung von Söldnerheeren, die ihren Unterhalt durch Plünderung und Brandschatzung bestritten, bedeutete für die betroffene Bevölkerung eine grausame Plage. Da wurde Selbsthilfe zwingend notwendig. Statt Schützenfeste zu feiern, mussten die Junggesellenschützen wohl Tag und Nacht mühe- und gefahrvoll ihr Hab und Gut und das der Bevölkerung schützen. Wie es einem echten Bruderschaftsgeist entspricht, werden sie aber auch um Beistand und caritative Hilfe bei den damals oft auftretenden Epidemien bemüht gewesen sein.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts brachte der Siebenjährige Krieg (1756- 1763) neues Unheil, Not und Bedrückung haben in vielen Dokumenten ihren Niederschlag gefunden. Unglaublich hohe Abgaben wurden verlangt und rücksichtslos beigetrieben. Dazu traten noch verheerende Krankheiten , die die Bewohner in Scharen dahinrafften. Stehende Heere per Dekret vom Großen Kurfürsten von Brandenburg eingeführt - schufen eine neue Ordnung in der Gesellschaft. Dadurch verloren die Schützengilden ihr wichtigstes Privileg, den Selbstschutz ihrer Heimat und als einzige Erinnerung an eine ruhmreiche Vergangenheit blieb nur mehr das ausschließlich der frohen Lust gewidmete Schießen nach dem Vogel und die fromme Übung althergebrachter kirchlicher Gebräuche. So wurden die Schützengilden dem sparsamen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. von Preußen ein Dorn im Auge, und mit dem Dekret vom 18. 05. 1727 verbot er die Abhaltung von Schützenfesten und verfügte sogar die Aufhebung aller Gilden mit der Begründung: "Schützenspiel ist Müßiggang." Aber schon im Jahre 1746 gestattete König Friedrich der Große die Wiederzulassung der Schützengilden, da die Übung mit dem Gewehr zur Verteidigung eines Ortes oder Dorfes wohl zweckdienlich sein konnte.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kamen die Franzosen erneut ins Land, aber unter ganz anderen Vorzeichen. Die französische Herrschaft brachte insbesondere für das religiöse Leben und damit auch für die christlichen Bruderschaften schwere Einschränkungen: Alle öffentlichen kirchlichen Verrichtungen wurden verboten, den Priestern war es nicht mehr gestattet, in kirchlichen Gewändern die Straße zu betreten. Alle Prozessionen, Bittgänge oder Wallfahrten blieben während der französischen Herrschaft untersagt. Die sonntägliche Arbeitsruhe sowie die kirchlichen Feiertage wurden aufgehoben. Christliche Symbole wurden zerstört oder beschädigt.

Schließlich erklärte Napoleon kirchliches Eigentum zu Staatseigentum. Den christlichen Bruderschaften
wurde infolge dieser Maßnahme die Legitimation entzogen. Die Verträge des Wiener Kongresses von 1815 unterstellten den Niederrhein dem Königreich Preußen.
In dieser Zeit, in der das nationale Bewusstsein erstarkte und das Vereinswesen sich belebte, wurden viele Schützenvereine neu gegründet bzw. auch alte Gesellschaften, die durch napoleonische Verbote ruhten, wieder ins Leben gerufen. In unserem Jahrhundert haben der Erste und der Zweite Weltkrieg
die Vereinstätigkeiten zum Erliegen gebracht. Erst im Jahre 1949 konnte die Vereinstätigkeit wieder aufgenommen werden.
Schützenbrauchtum
Zu den Höhepunkten des Jahres gehörte für die Schützen das Königschießen. Das Wettschießen, bei dem der beste Schütze der Gesellschaft geehrt werden sollte, fand auf der Vogelwiese statt. Dort wurde auf einer hohen Stange ein hölzerner Vogel befestigt, und wer den Vogel unversehrt von der Stange schoss, wurde zum Schützenkönig ausgerufen. Der hölzerne Vogel glich in den Anfängen des Schützenwesens einem Papagei, der als exotischer Vogel im Mittelalter besonders beliebt war. Dieser Vogel war ein wahrhaft "königlicher Vogel". Nur die Reichen und Mächtigen erlaubten sich, einen Papagei zu halten. Zu späteren Zeiten nahm der Vogel die Gestalt einer Taube und später die eines Adlers an. Ursprünglich wurde mit der Armbrust geschossen. Erst zum Ende des 16. Jahrhunderts wurde die traditionelle Armbrust immer mehr von der handlichen Büchse verdrängt. Das Königschießen gehört bis heute zu den wichtigen lokalen Volksfesten und findet meist im Rahmen einer Kirmes mit Umzügen statt. Der Schützenkönig trägt als Ausdruck seiner großen Würde das traditionelle Schützensilber in Form einer Kette.

Zum Schützenbrauchtum gehört auch das Aussehen der Schützen uniform. Während es im Mittelalter durch die Stadtfarben bestimmt wurde, beeinflussen seit dem 18. Jahrhundert die grünen Jägeruniformen die Kleidung der Schützen. Die Kopfbedeckung (der Kogel) ist fast immer geschmückt mit dem Abzeichen der jeweiligen Schützengesellschaft.

Übliche Redewendungen aus der Schützensprache haben sich - wenn auch losgelöst aus dem eigentlichen Zusammenhang - bis in den heutigen Sprachgebrauch erhalten, wie "den Nagel auf den Kopf treffen" oder "den Vogel abschießen".

Hildegard Otten (Juli 1999, Grietherbusch)